Parteitagsrede Katja Hessel
An diesem Wochenende findet der 86. Ordentliche Landesparteitag der FDP Bayern statt. Rund 400 Delegierte haben sich hierzu im Amberger Congresscentrum eingefunden. Die Landesvorsitzende Katja Hessel MdB hielt am Samstag nachfolgende Rede. Es gilt das gesprochene Wort.
„Liebe Parteifreunde,
liebe Parteifreundinnen,
wir haben vor drei Tagen ein Projekt beendet, das vor knapp drei Jahren begann. Die Ampel ist nun Geschichte. Und sie wird sich so sicherlich nicht wiederholen. Wir haben uns vor drei Jahren auf das Wagnis einer Ampel-Koalition eingelassen. Und wir wussten von Anfang an, dass es schwierig werden würde in einer Verbindung mit zwei linken Parteien.
Wir wollten aber gestalten und mehr Fortschritt wagen. Es wurde schwierig. Nicht sofort. Auch nicht sofort nach dem Überfall Russlands mit der Ukraine. Aber spätestens mit dem Heizungshammer von Robert Habeck.
Dessen ursprünglichen Entwurf haben wir vom Kopf auf die Füße gestellt und etliche haarsträubende Ideen der Grünen aus diesem Gesetz beseitigt. Leider bleiben bis heute die haarsträubenden Ideen im kollektiven Gedächtnis, obwohl sie längst aus dem Gesetz getilgt sind.
Genauso haben wir in dieser Bundesregierung dafür gesorgt, dass keine Steuern erhöht und keine höheren Schulden gemacht werden in Deutschland. Wir haben dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse gilt. Gegen massiven, gegen erheblichen Widerstand von SPD und Grünen, die bei beiden Themen gerne aus dem Vollen schöpfen und das Geld mit vollen Händen ausgeben wollen.
Bevor wir über höhere Ausgaben reden, ist aber wirtschaftliches Wachstum nötig. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hat gelitten. Unsere Infrastruktur hat massiven Modernisierungsbedarf. Wir müssen dauerhaft mehr für unsere Verteidigung tun.
Genau deshalb brauchen wir Impulse für die Wirtschaft. Aber eben nicht auf Pump! Sondern mit weniger Bürokratie, mehr privaten Investitionen, weniger Regulierung. Manche versprechen Wohlstand durch mehr Umverteilung. Sie erwecken den Eindruck, ein Staat ohne Schuldenbremse könne neues Wachstum kaufen. Aber unser Land hat weder zu niedrige Steuern noch zu geringe Staatsausgaben. Wir haben ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem.
Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der Aktivität belohnt und nicht Untätigkeit toleriert. Wir wenden jedes Jahr Milliarden Euro auf, weil immer noch Konsequenz dabei fehlt, irreguläre Migration einzudämmen. Die Sozialausgaben wachsen so schneller als die Wirtschaftskraft. Die Politik greift der Wirtschaft fortwährend durch Regulierung in die Speichen. Und Deutschland verfolgt einen weltweit einmaligen Sonderweg zur Klimaneutralität.
Deutschland war immer dann stark, wenn es auf Soziale Marktwirtschaft und Realismus gesetzt hat. Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung, Privatinitiative und fairer Wettbewerb. Das sind auch jetzt die Schlüssel, mit denen wir die aktuelle Schwächephase bewältigen können. Aber all dies lässt sich nur umsetzen mit einem nach allen Seiten sichtbaren Kurswechsel.
Der Anspruch einer FDP-Regierungsbeteiligung lautet: Die Bundesregierung packt die Probleme an, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Nötig ist dazu wirksame, spürbare Realpolitik; bei der Einwanderung, bei wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, beim Bundeshaushalt.
Dabei geht es nicht allein um den besseren Weg, um Deutschland aus der Krise zu führen. Dabei geht es auch darum, die Demokratie hierzulande zu verteidigen. Wir werden Rechts- und Linkspopulisten an der Wahlurne nur schlagen, wenn die Menschen spüren, dass Demokratie Probleme löst. Das gelingt weder mit mehr Öko-Nannystaat noch mit noch mehr Umverteilung, sondern allein mit realpolitischen Ergebnissen, die im Alltag der Menschen ankommen.
Die CSU von Markus Söder schickt sich ja derzeit an, alle Probleme Deutschlands der Ampel anzulasten. Dabei hat die CSU in allen Großen Koalitionen in Deutschland mitregiert. Die bisherige Bundesregierung hat vor allem die Scherben aufkehren müssen, die uns die Große Koalition hinterlassen hat.
Deswegen sind auch die parteipolitischen Spielchen der Union im Bundesrat der ernsten Lage nicht angemessen. Denn das hat mit dem Prinzip „Erst das Land, dann die Partei“ nichts mehr zu tun. Das schreibe ich Markus Söder genauso ins Stammbuch wie Friedrich Merz.
Wir wissen heute noch nicht, an welchem Tag wir im kommenden Jahr einen neuen Bundestag wählen. Wir werden schnell wählen müssen. Dieses Land braucht eine handlungsfähige Regierung. Wir sind jetzt wieder Oppositionspartei. Und wir werden in diesem Bundestag als Oppositionspartei eine sehr klare Sprache sprechen.
Wir werden im Wahlkampf eine sehr klare Sprache sprechen. Und wir haben in dem vergangenes Wochenende öffentlich gewordenen Papier aus dem Bundesfinanzministerium unsere Gedanken formuliert. Ein Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit auf 18 Seiten.
Dieses Konzept wurde von allen Expertinnen gelobt. Die Gedanken dieses Papiers finden sich auch in unserem heutigen Dringlichkeitsantrag. Es ist unser Konzept, wie wir Deutschland wieder nach vorne bringen.
Deutschlands Produktivität ist zu schwach. Bürokratie erstickt gute Ideen. Eine zu hohe Steuerbelastung schwächt Anreize. Politische Unsicherheit bremst Investitionen. Dafür brauchen wir taugliche Lösungen. Wohlstand durch Umverteilung reicht nicht. Und ein Staat ohne Schuldenbremse ist auch nicht die Lösung für alles. Auch dann nicht, wenn die international renommierte Wirtschaftsexpertin Saskia Esken es behauptet.
Dieses Land braucht einen Neustart. Eine Politik, die Innovationen optimistisch begegnet. Die wirksame Hebel ermöglicht für flexibleres Arbeiten und mehr Investitionen. Die die Europäische Union stärkt beim koordinierten Klimaschutz. Wir brauchen wieder Vertrauen in die Innovationsfähigkeit des Einzelnen. Eine neue Arbeitskultur und ein neues Investitionsklima.
Wir müssen über solche Ideen wieder offener diskutieren, statt uns in ideologischen Blasen zu verschanzen. Der DGB-Chefin Yasmin Fahimi fiel stattdessen nur das Wort „unsozial“ ein mit Blick auf unser Papier. Das ist eine sehr dürre Argumentation.
Wenn wir den Populisten und Populistinnen der extremistischen Parteien die Stirn bieten wollen, den Weidels genauso wie den Wagenknechtinnen, müssen wir überzeugte Demokraten auch selbst wieder intelligenter und differenzierter formulieren. Nur so entsteht wieder ein spannender Debattenraum, ein Mittelpunkt für unseren demokratischen Diskurs. Ein Ort, den auch Nichtwähler und Protestwähler plötzlich wieder anziehend finden.
Es geht um Millionen von Familien, die sich um ihre Jobs und ihre wirtschaftliche Existenz sorgen. Diese Jobs sichern wir nur dann, wenn es wieder Wachstum in unserem Land gibt. Wir müssen endlich davon abkommen, dass Wachstum ein negativ besetzter Begriff ist. Wir müssen jetzt die richtigen Impulse setzen, um eine neue wirtschaftliche Dynamik in Deutschland zu entfalten. Unser Land fällt seit über zehn Jahren in der Wettbewerbsfähigkeit zurück, seit 2017 sind wir in einer Industrierezession. Die Versäumnisse der Großen Koalitionen unter Angela Merkel schlagen jetzt voll durch.
Unsere Ideen sind finanzierbar. Sie entsprechen den Erwartungen der Unternehmen. Dort wünscht man sich sehr klar marktwirtschaftliche Reformen und keine neuen Subventionsprogramme. Zumal von knackigen Reformen nicht nur die Industrie profitiert. Sondern auch der Mittelstand und alle Marktteilnehmer bis zu den Solo-Selbständigen.
Wir sind uns einig darüber, wie wir dieses Land wirtschaftspolitisch aufstellen müssen. Die klare Diagnose und die nötigen Maßnahmen lagen selten so deutlich ausformuliert auf dem Tisch wie derzeit.
Und jetzt gibt es zwei klare Ziele:
Erstes Ziel. Wir müssen darum kämpfen, in einem neuen Bundestag so stark wie möglich zu werden. Wir müssen so stark werden, dass wir uns zwischen Koalitionspartnern entscheiden können. Wir müssen so stark werden, dass Markus Söder nicht noch einmal eine Koalition verhindern kann, nur weil er nicht Kanzlerkandidat werden durfte.
Wir haben es heute und in den kommenden Wochen und Monaten in der Hand. Unsere Wahrheiten sind nicht immer leicht zu schlucken. Liberale Wirtschaftspolitik basiert auf nüchternen Fakten und nicht auf Ideologie. Auch wenn gerade die politischen Mitbewerber links der Mitte gerne das Gegenteil behaupten. Auch wenn CDU/CSU gerne unter ihrem konservativen Deckmäntelchen pure SPD-Politik betreiben.
Das ist übrigens das Risiko bei der nächsten Bundestagswahl. Es sollte niemand glauben, dass nach der nächsten Wahl automatisch alles besser wird. Momentan droht eine Neuauflage der nächsten Großen Koalition.
Und Ihr wisst alle, wie Große Koalitionen ablaufen. Die Union setzt reihenweise sozialdemokratische Politik um. Sie erhöht die Steuern. Sie erhöht die Lohnnebenkosten. Sie senkt das Renteneintrittsalter. Sie macht fast alles mit, nur um ja Kanzler oder Kanzlerin zu stellen. Die Große Koalition würde 2025 keine bessere Politik machen als die Ampel. Deshalb müssen wir so stark werden, dass an der FDP niemand vorbeikommt.
Und damit wir wieder stark werden, müssen wir einig sein. Das ist das zweite große Ziel. Wir dürfen uns nicht spalten lassen in vermeintlich konservative oder progressive Liberale. Wir sind alle Freie Demokratinnen und Demokraten. Wir ringen miteinander um die besten Ideen, die besten Konzepte, manchmal auch um die besten Köpfe. Und natürlich raufen wir dabei miteinander, wir streiten mit hochroten Köpfen. Aber wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen.
Bei den Umfragen, die wir gerade haben, sitzen wir gemeinsam in einem Rettungsboot. Und ich sage Euch: Man kommt dann wieder am schnellsten an Land, wenn alle die Ruder anpacken und alle in dieselbe Richtung rudern.
Wir verlieren gemeinsam. Und wir gewinnen gemeinsam. Und vor allem: Wir kämpfen gemeinsam.
Wir gehen auch keiner Diskussion aus dem Weg mit denen, die es immer schon besser wussten. Die alles, alles besser gemacht hätten, würden sie gerade im Bundestag sitzen.
Natürlich waren diese drei Jahre nicht die stolzeste Zeit der FDP. Aber wir haben unsere Wahlversprechen gehalten. Diese Bundesregierung hat keine Steuern erhöht. Sie hat keine neuen Schulden gemacht. Wir waren oft nach außen sichtbar der Riegel, der sich vor die öko-sozialistischen Umbaupläne geschoben hat. Wir waren es auch hier und da unsichtbar. Mancher mag es kaum glauben.
Diese Koalition hat wahrscheinlich so transparent gestritten und laut gedacht wie keine Regierung vor uns. Und natürlich ist es besser, hinter verschlossenen Türen die richtigen Kompromisse zu finden und sie dann gemeinsam zu präsentieren und umzusetzen.
Genau dies hängt aber nicht nur von einem Koalitionspartner ab. Und es hängt auch davon ab, ob man sich miteinander auf die richtigen Kompromisse einigen kann.
Und natürlich war uns im Bundesfinanzministerium schon seit einiger Zeit klar, dass wir über diese Ampel eine Entscheidung herbeiführen müssen. Ich weiß auch, dass uns nicht alle diesen Gedanken zugetraut haben. Da wird mir dann zugetragen: Die Katja, die muss dem Christian Lindner mehr die Meinung sagen. So kann es doch nicht weitergehen. Ja, wir wussten, dass es so nicht weitergehen konnte. Nicht nur Christian Lindner, Florian Toncar und ich. Und wir haben uns an die Arbeit gemacht, diese Ampel zu einer Richtungsentscheidung zu zwingen.
Und das Ergebnis liegt jetzt seit drei Tagen auf dem Tisch.
Wir haben das Heft des Handelns in die Hand genommen. Wir haben diese Koalition nicht kopflos verlassen. Wir haben gesagt: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland erfordert eine sofortige und deutliche Kurskorrektur. Und wir können nur eine Bundesregierung mittragen, die dies erkennt und bereit ist, beherzt zu handeln. Und keine, die wie Olaf Scholf am vergangenen Mittwoch, einen verfassungswidrigen Haushalt aufstellen will.
Christian Lindner hat diese Pistole auf der Brust nicht akzeptiert und seine Überzeugungen über sein Ministeramt gestellt.
Der bequeme Weg wäre gewesen, die marode Wirtschaftslage der nächsten Bundesregierung zu vererben. Und auch wenn wir es immer wieder unter Beweis stellen müssen: Wir Liberale, wir Freie Demokratinnen, wir stehen nicht für den bequemen Weg. Wir stehen für den vernünftigen Weg. Bei uns muss sich der Staat plagen, damit es den Bürgern gut geht. Und nicht die Bürgerinnen und Bürger, damit es dem Staat gut geht.
Und das ist der große Unterschied zwischen uns und so gut wie allen anderen Parteien in diesem Land. Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie viel sie arbeiten, wen sie lieben, zu wem sie beten oder nicht beten, wo sie Urlaub machen, was sie essen, wie viel sie trinken, wie sie ihr Leben führen, wie viel sie vererben dürfen.
Unser Weg ist der Weg der Freiheit.
Wir wollen, dass der Staat nur dort eingreift, wo es unbedingt nötig ist. Und ansonsten wollen wir, dass jede Bürgerin und jeder Bürger in diesem Land möglichst viele freie Entscheidungen treffen kann. Solange man andere damit nicht schädigt. Diese Einschränkung gehört immer dazu.
Und innerhalb dieses liberalen Spektrums gibt es noch genug, worüber wir streiten können. Und das wollen wir tun. Mit Leidenschaft, Lautstärke und magentarotem Kopf.
Aber wenn wir hier morgen alle wieder abfahren aus Amberg: Lasst uns einem Strang ziehen. Lasst uns zusammenhalten. Lasst uns alle miteinander die liberale Sache nicht zerreden. Denn nur so erreichen wir das erste Ziel, dass wir unsere FDP so stark wie möglich machen. Damit wir stark in die nächste Bundestagwahl gehen und mit einer möglichst großen Fraktion im nächsten Parlament sitzen.
Denkt vielleicht nicht immer als allererstes daran, was uns untereinander unterscheidet. Wir sind Liberale, keine Bindestrich-Liberalen. Denkt auch daran, was uns alle eint, was uns alle für die liberale Idee begeistert hat. Denkt an den Moment, in dem Ihr beschlossen habt, der FDP beizutreten. Lasst uns alle miteinander dieses ursprüngliche Feuer wieder entfachen.
Wir kämpfen alle für die liberale Idee. Und diese Idee leuchtet umso heller, je fester wir jetzt zusammenhalten. Denn das ist ein Faktor, der Wahlen mitentscheidet. Und damit auch künftige Koalitionen.
Ich freue mich auf Neuwahlen und auf den Wahlkampf mit Euch.
Ich danke Euch und wünsche uns allen einen erfolgreichen, leidenschaftlichen und herzerfrischenden Landesparteitag.“